Sunday, June 17, 2007

Theorie des Spiegeltrainings - Teil II



Im ersten Teil habe ich den Funktionsmechanismus zusammengefasst; in diesem Posting möchte ich den neurophysiologischen Hintergrund erläutern.

Ein grosser Teil der Oberfläche unseres Gehirns ist für eine Karte der Körperoberfläche reserviert, d.h. jeder Körperteil lässt sich auf dieser Karte auffinden. Wir verwenden das gleiche Prinzip mit Landkarten und Stadtplänen. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: möchte ich z.b. Entfernungen messen dann brauche ich nur auf der Karte nachschauen und muss die Strecke nicht in Wirklichkeit nachfahren.

Diese Karten sind in unserem Gehirn genetisch festgelegt, d.h. jeder besitzt eine Karte auf der 2 Arme, 2 Beine, etc. vorhanden sind - auch wenn die betreffende Person z.b. ohne Arme geboren wird! Ja - richtig gelesen - auch Menschen denen durch einen (Gen)Defekt eine Extremität fehlt können Phantomschmerzen empfinden weil ja die Karte dafür vorhanden ist.

Die Karten sind aber natürlich nicht statisch sondern werden laufend angepasst; so findet man bei Musikern (Violinisten) eine vergrösserte Darstellung der Finger einer Hand. Wo also mehr Input erzeugt wird - durch häufigen konzentrierten Gebrauch - vergrössert sich das Areal auf der Gehirnrinde.

Umgekehrt bei Amputationen: dort wird vom abgetrennten Körperteil kein Signal mehr empfangen und der entsprechende Teil auf der Gehirnrinde schrumpft; schlimmer noch: die benachbarten/angrenzenden Teile wandern in das Gebiet ein; daher ist es völlig normal dass Patienten die einen Arm verloren haben an der Wange empfindlicher werden - denn diese Bereiche liegen auf der Karte nebeneinander. Das was früher als vom Arm kommend empfunden wurde wird jetzt auf die Wange und den Arm umgeleitet.

Diese Änderungen in der Hardware des Gehirns bezeichnet man als "Neurale Plastizität"; sie finden auch statt wenn man neue Bewegungen erlernt. Manche dieser Veränderungen sind erwünscht (eben wie beim lernen) - bei chronischen Schmerzsyndromen sind sie aber eher nachteilig weil das Endergebnis chronischer zentral erzeugter Schmerz ist.

Durch das Spiegeltraining (und auch andere Therapieformen, die normales Feedback wiederherstellen) kann man diese Prozesse rückgängig machen und dauerhafte Erfolge erzielen.

2 comments:

Unknown said...

Ich hatte dich ja schon gefragt ob man mit dieser Methode die Fähigkeiten der besser trainerten/programmierten Hand auch auf die andere Hand übertragen kann.
Ein Bekannter von mir (dem ich davon erzählt habe) hätte gleich Bedarf daran, der lernt nämlich zaubern und muss dafür mit der linken Hand einiges üben...

Matthias Weinberger said...

Ausprobieren. Müsste theoretisch funktionieren. Einfach einen Spiegel senkracht zwischen die beiden Hände stellen - die bessere Hand so dass sie sich spiegelt - und dann 10 Minuten am Stück die Bewegung üben die man haben will.
Viel spass dabei. ;-)