Thursday, July 8, 2010

Spiegeltherapie für alle - Teil 3

Wirkungsweise

Die Therapie wurde das erste Mal Mitte der 90er Jahre beschrieben.
Das ist bei weitem nicht genügend Zeit, um die Wirkungsweise bis ins letzte Detail erforscht zu haben.

Das soll uns aber nicht daran hindern, schon jetzt überaus erfolgreich mit der Methode zu arbeiten und sie auszubauen.

Der wichtigste Punkt der sich aus den schon vorhandenen Forschungen ergibt ist:
unser Gehirn bleibt ein Leben lang lernfähig. Es ist "plastisch".

Dies ermöglicht es uns neue Sprachen zu lernen, neue Fähigkeiten zu lernen (z.b. jonglieren) - und auch uns nach schweren Traumen wieder mehr oder weniger zu erholen (z.b. Schlaganfall).

Diese Fähigkeit des Gehirns beruht auf verschiedenen Mechanismen:
- stumme Verbindungen sind Kontakte zwischen Nervenzellen die normalerweise nicht aktiv sind. Nur bei extremen Umständen werden diese aktiv.
- Neubildung von Nervenzellen in kleinem Ausmass könnte auch zur Erholung beitragen. Man hat erst vor wenigen Jahren herausgefunden dass überhaupt neue Nervenzellen gebildet werden. Wie diese dann im Gehirn verwendet werden ist bis jetzt noch nicht geklärt.
- angrenzende Bereiche übernehmen zum Teil die Funktion des Bereichs der ausgefallen ist.

Diese "Selbstheilungskräfte" des Gehirns sind erstaunlich - haben aber auch das Potential für Probleme zu sorgen.
Das Gehirn kann nämlich chronische Schmerzen erlernen.
Dabei werden bestimmte Areale, die für die Darstellung der Körperoberfläche zuständig sind, verändert.

7 Strangers

Signale die von aussen an das Gehirn gesendet werden sind zunächst "neutral", d.h. es gibt kein Schmerzsignal auf dem Weg zum Gehirn.
Dass diesen Rezeptoren der Begriff "Nozizeptoren" (Schmerzrezeptoren) gegeben wurde, war ein grosser Fehler.
Besser ist es diese Signale als Warnsignale zu beschreiben - denn das ist ihre tatsächliche Aufgabe.

Denn letztendlich entscheidet erst das Gehirn ob Schmerz wahrgenommen wird oder nicht.

Bei chronischen Schmerzen geht man davon aus, dass das Gehirn gelernt hat, harmlose Warnsignale als schmerzhaft zu interpretieren.
Hier können u.a. Dinge wie ein falsches Verständnis von Schmerz eine Rolle spielen. Also im weitesten Sinn die Art und Weise wie man mit Schmerz umgeht, welchen Bewegungen/Tätigkeiten man die Ursache für die Schmerzen gibt usw.

Deswegen ist nach dem Biopsychosozialen Modell auch eine interdisziplinäre Therapie bei chronischen Schmerzen nötig. Hier arbeiten Ärzte, Therapeuten, Psychologen, Sozialberater und andere zusammen, um das Problem von allen Seiten anzugehen.

Zurück aber zum Gehirn:
werden Warnsignale über einen längeren Zeitraum als schmerzhaft empfunden, so kann sich ein Schmerzgedächtnis ausbilden.
Das heisst, das Gehirn hat den Schmerz fest abgespeichert bzw. erlernt.
So wird dann, auch wenn die Verletzung schon längst abgeheilt ist, weiterhin - direkt vom Gehirn aus (!) - Schmerz erzeugt.

Das Gehirn hat etwas erlernt, das für den Patienten nicht sinnvoll bzw. hilfreich ist - eher das Gegenteil.

Die Therapie muss also diesen Lernprozess rückgängig machen.
Therapie stellt ein umlernen dar - nicht ein reines Training im Sinne von Kraft- und Muskelaufbau wie es von vielen fälschlicherweise verstanden wird.

Und lernen funktioniert nur, wenn unsere Aufmerksamkeit auf das gerichtet ist was wir gerade machen.

Die Wirkungsweise der Spiegeltherapie kann man demnach so beschreiben:
"Spiegeltherapie ist ein (Um-)Lernprozess, bei dem man mittels gelenkter Aufmerksamkeit dem Gehirn ermöglicht zwischen harmlosen und echten Warnsignalen zu unterscheiden".

Das Gehirn muss "merken" wo die Grenze liegt, die bei chronischen Problemen im Laufe der Zeit immer mehr nach unten verschoben wird.

Dies kann dazu führen, dass bereits normale Bewegung schmerzhaft ist. Über die Spiegeltherapie kann man dem Gehirn eine Alternative anbieten: die Bewegung des gesunden Arms ist schmerzfrei. Über die Spiegelung "sieht" das Gehirn die betroffene Seite und wie sie sich ohne Probleme bewegen lässt. Diese Illusion reicht oft schon aus um auf der betroffenen Seite den Schmerz zu reduzieren.

Das Gehirn hört auf die Signale von der betroffenen Hand als schmerzhaft zu interpretieren.
Danach kann dann die restliche Therapie ansetzen.

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