Thursday, July 8, 2010

Spiegeltherapie für alle - Teil 2

Durchführung

die klassische Spiegeltherapie wird so durchgeführt:



Die betroffene Seite (Arm, Hand, Bein) befindet sich hinter dem Spiegel (so dass man auch aus dem Augenwinkel nichts davon sehen kann), die nicht betroffene Seite vor dem Spiegel.

Im Bild wird nun die rechte Hand gespiegelt - und es entsteht die Illusion einer gesunden und frei beweglichen linken Hand.
Wichtig dabei ist, dass die gefühlte Position und die des Spiegelbildes übereinstimmen. Ist der Spiegel z.b. zu stark gekippt, dann funktioniert die Illusion bei weitem nicht so gut.

Zunächst sollte auch die Umgebung relativ frei von Ablenkungen sein.
Die Aufmerksamkeit muss komplett dem Spiegelbild gelten.

Auch dürfen die Arme nicht zu weit auseinander liegen. Abstände bis zu 50cm geben die besten Resultate.
Bewegt man die Hände, dann geht die betroffene Seite nur bis zur Schmerzgrenze - nicht darüber!

Spiegeltherapie muss als Training verstanden werden:
das Gehirn hat den (chronischen) Schmerz erlernt - und die Therapie muss diesen Lernvorgang rückgängig machen.
Analog zum sportlichen Training gibt es also ein paar einfache Regeln zu beachten:

1) den aktuellen Trainingslevel finden, d.h. auf welcher Stufe muss das Training beginnen?
Wenn möglich, bewegt man beide Hände gleichzeitig. Hier kann man seiner Phantasie freien Lauf lassen: Finger öffnen und schliessen, den Daumen und die Fingerspitzen zusammenbringen, das Handgelenk beugen und strecken, etc.

Ist dies nicht möglich, weil z.b. verstärkt Schmerzen auftreten, dann bleibt die betroffene Hand zunächst hinter dem Spiegel liegen und nur die gesunde Hand bewegt. Weiter reduzieren kann man das Training indem beide Hände auf dem Tisch liegen und man zunächst nur das Spiegelbild betrachtet.

Sollte auch dies zu Problemen führen müssen andere Therapien vorgeschaltet werden (Imaginationstraining). Dies ist aber nur bei einer sehr sehr kleinen Patientengruppe nötig die von CRPS (bzw. Morbus Sudeck) betroffen sind.

2) Steigerung:
je nach aktuellem Trainingszustand stellt sich die Steigerung so dar:
- beide Hände liegen, keine Bewegung
- betroffene Hand liegt, gesunde Hand bewegt
- beide Hände bewegen (einfache Muster)
- beide Hände bewegen (komplexe Muster)
- beide Hände bewegen - Ablenkung von aussen wird eingebaut

Steigern kann man oft sehr schnell. Sobald eine Stufe toleriert wird, d.h. es zu keiner Schmerzverstärkung kommt, probiert man die nächste Art von Bewegung. Es ist nicht ungewöhnlich innerhalb einer Therapieeinheit alle 5 Stufen zu durchlaufen.

Bei den nachfolgenden Einheiten kann man natürlich dann direkt bei der letzten erreichten Stufe einsetzen. Denn eine Reduzierung ist jederzeit wieder möglich, sollten sich Schmerzen einstellen.

3) Alltagsbezug:
wir dürfen in der Therapie nicht vergessen, dass unsere Arbeit (für den Patienten) sinnvoll sein muss.
Es gibt Alltagsbewegungen die gemeistert werden müssen.

Es ist nicht nur der Schmerz an sich, der eine grosse Beeinträchtigung darstellt, sondern auch das auf-andere-angewiesen sein, das als störend empfunden wird.

Die Therapie muss sich daher auch an genau diesen Einschränkungen orientieren und sie wieder trainieren. Dabei können Hilfsmittel wie Besteck, Geschirr, Bürsten, Stifte, etc. zum Einsatz kommen.

Bei Schulterproblemen bietet es sich an, z.b. die Haare zu kämmen. Dabei muss dann der Kopf noch etwas seitlicher vom Spiegel positioniert werden, damit man die Bewegung gut sehen kann.

4) Dauer und Häufigkeit:
In der Praxis zeigt sich, dass eine Dauer vom 10min pro Trainingseinheit ausreichend ist. Die Konzentrationsfähigkeit lässt auch nach dieser Zeit nach und der Effekt wird geringer.
Zur Häufigkeit: 2-3 mal pro Tag, täglich für mehrere Wochen (bis zum gewünschten Erfolg).

Bei periodisch auftretenden Schmerzen kann man die Therapie natürlich auch nur im Bedarfsfall anwenden.

5) Besonderheiten:
wird die Therapie nur zur Schmerzreduktion eingesetzt, so steht das Bewegungsausmass beider Gliedmaßen nicht im Vordergrund. Man bewegt einfach beide Körperteile synchron und geht keinesfalls über die Schmerzgrenze.

Möchte man aber ein Gelenk wieder "fit" machen, z.b. nachdem es mehrere Wochen in einer Schiene/Gips gelagert war, dann bewegt man die gesunde Seite (die sich ja dann als betroffene Seite spiegelt) - weiter als es eigentlich möglich ist.
Die betroffene Seite geht bis ans Bewegungsende, die gesunde Seite so weit wie möglich.

Durch die Ruhigstellung hat das Gehirn verlernt dass sich der Arm/die Hand bewegen lässt - und über die übertriebene Bewegung der gesunden Seite kann man diese Schonhaltung schnell "löschen".
Aus eigener Erfahrung mit Patienten, lassen sich diese "erlernten" Einschränkungen innerhalb von 1-2 Tagen vollständig beseitigen.

Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen:
die Spiegeltherapie ist nur ein Teil der gesamten Therapie.
Besteht eine Frozen Shoulder schon über einen Zeitraum von 6 Monaten, so haben sich im Gelenk weitreichende Veränderungen ergeben.
Diese müssen natürlich nach und nach angegangen werden - durch intensives Training und Mobilisation.

Ist aber der Schmerz erstmal beseitigt, dann ist die nachfolgende Therapie wesentlich angenehmer. ;-)

Hier noch eine kleine Fallstudie die zeigt, wie schnell man bei einem Patienten die Beweglichkeit mit dem Spiegel verbessern kann:

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